Hochschule – wie sie zu gestalten und was sie ist

von

J. W. Ernst

Das Problem geht aus von der Frage: was bedeutet „Hochschule“? Der Name stammt aus dem Pariser Mittelalter her und bedeutet das gleiche wie der Ausdruck „Hoheit“ im öffentlich-rechtlichen Gebrauch, also: „Souveränität“. Es wurde damals gegenüber den alten Bischofsschulen neu das Prinzip aufgestellt, dass Schule und Studium einzig der Wahrheit verpflichtet sind, „so wie der souveräne Fürst nur Gott der untertan ist“. Gleichbedeutend war damals das Wort UNIVERSITAS, es bezeichnete souveräne Gemeinden (z. B. so die Schweizer Urkantone in einem lateinischen Dokument). Da die „hohe Schule“ auch als „ Universitas “ bezeichnet wurde, bezeichnete das Wort „die Gesamtheit der Lehrer und Studenten“ als eine sich selbst verwaltende („ autonoe “) Körperschaft. Später wurde das Wort fehlbezogen als „ Universitas litterarum “. Dies war nicht der ursprüngliche Sinn.

Will man also dem Begriff Hochschule einen jetztlebendigen Sinn geben, so könnte sie eine „nur der Wahrheit verpflichtete Gesamtheit von Lehrenden und Lernenden“ heissen , und diese Konzeption zeigt sich sofort als eine in jeder Beziehung zeitnahe und gültige. Gemäss der Konzeption wird solch „Gesamtheit“ sich sowohl ihre methodischen Zielsetzungen als auch ihre soziale Konstitution geben.

„Nur der Wahrheit verpflichtet sein“ – wie macht man das? – Ich denke, es gibt nur ein Mittel. Es besteht darin, dass alles Lehren und Lernen der permanenten Prüfung und Bewährung unterliegt. Das heisst , dass keine Dogmatik und keine dogmatisch begründete Autorität oder „Hierarchie“ gilt, sondern stattdessen Wahrheitsstreben und Brüderlichkeit, beides als permanente und gesamthafte („universitäre“) Fundamente der Schule, die dadurch eben zur autonomen Körperschaft wird.

Das heisst also, sowohl Lehrer als Schüler (also die „ Universitas “, alle) verpflichten sich auf permanentes Wahrheitssuchen als das konstituierende Prinzip der Schule. Jeder also, der behauptet, er „habe“ die Wahrheit, entfernt sich eben dadurch vom autonomen Hochschulboden.

Zweitens, die Lehrer und Lernenden erstreben mitinander ein „wirklich auf brüderliche Liebe aufgebautes soziales Leben“ (Rudolf Steiner, „Statuten der an Weihnachten 1923 intendierten, nicht verwirklichten „Anthroposophischen Gesellschaft“, §3), und zwar ist dieses Streben ein „Ergebnis des permanenten Wahrheitsstrebens selbst“. (vgl. Rudolf Steiner ebd.)

Wesen alle Brüderlichkeit ist „ein nie und nirgends unterbrochener Verkehr innerhalb der Gesamtheit“ (nach R. St.). Durch diesen Verkehr bleiben die beiden Grundpfeiler, das Wahrheitsstreben und die Brüderlichkeit selbst, in beständiger, sichtbarer Kontrolle.

Die beiden sozialen Funktionen der Schule, Lehrer und Lernender, ergeben sich aus der Sache.

Lehrer ist, wer über sachliche, fachliche Erfahrung verfügt, über sie gedacht hat und lehren will. Denn dies sind die drei sachlichen Voraussetzungen für das Lehren-Können.

Lernender ist, wer den Wert der Erfahrung anderer begreift und Interesse für diesen Wert entwickelt. Denn dies sind die zwei notwendigen Erfordernisse zum Lernen.

Innerhalb der Lehrfunktion bestimmt der Lehrer, auch wenn er die Stimmen Lernender hört und wägt.

Innerhalb der sozialen Funktion der auf dem Schulboden sich abspielenden Lebenskontakte gilt die Stimme der Allgemeinheit ( Universitas ) der Lehrenden und Lernenden, wie immer sich diese (statuarisch oder durch Sitte) formulieren mag. Zu erstreben ist wo irgend möglich der consensus omnium (Einmütigkeit).

Auf wirtschaftlichem Boden bestimmen Verträge sowie freie Leistungen. Hat eine Hochschule einen gewissen Umfang, so braucht sie Verwaltungsorgane., die (anders als bei Wirtschaftsunternehmen) eng an die eingegangenen Verträge und Absprachen gebunden, bloße Ausführungsorgane sind.

Gibt es einen Förderverein, so gehört dieser mit zur Gesamtheit ( Universitas ), denn indem er aus an der Schule Interessierten besteht, erfüllt er die Grundbedingungen der Zugehörigkeit. Ein solcher Verein sollte regelmäßig an den Beratungen der Versammlungen der Gesamtheit vertreten, er soll in den „nie und nimmer zu unterbrechenden Verkehr“ einbezogen sein. Doch fungiert er dort als „Person“, die sich ihre internen Beschlüsse nicht aufzwingen lässt, eben wie jede der natürlichen Personen inmitten der Versammlungen in ihren persönlichen Entschliessungen frei bleibt.